Der Weg gibt dir, was du brauchst

Ich bin ja überhaupt NICHT abergläubisch. Nein! Keineswegs. Aber was würdet ihr denn so sagen, wenn euch, wenn ihr endlich aus der Stadt raus seid, ein wunderschöner Regenbogen erscheint? Sooo schön. Also der Weg meinte wahrscheinlich, es lohnt sich. OK. Kann sein. Bergauf bin ich dann schon gar nicht mehr so sehr davon überzeugt, dass dies eine gute Idee war.

Als echtes Faultier – oder Schnecke oder was immer ihr für ein Synonym für langsam im Kopf habt, hatte ich bei dem wirklich steilen Anstieg, ungefähr alle 3 Meter eine Pause einzulegen. Zwischendurch hatte ich die Idee, meinen Schlafsack einfach auszufalten und da zu bleiben. Aber der Weg gibt dir, was du brauchst.

Da überholte mich eine junge Frau (britisch-spanischer Herkunft) namens Claudia – und textete mich recht intensiv zu. Während ich versuchte, ihr von mir auf Spanisch zu erzählen und ihr zuzuhören, was sie über ihren Trip nach Indien letzten Monat erzählte, war der Berg fast erklommen. Euphorisiert stürzte ich mich auf die restlichen lächerlichen 14 Kilometer. Und die sind lang.

Zwischendurch fand ich eine Bank, machte eine super Pause – und den Fehler, die Schuhe auszuziehen. Autsch. 2 Blasen. No me gustá! Not at all. Aber ich schleppe ja nicht nur meine Arbeitsmaterialien sondern auch ein wunderbares Sortiment an Blasenpflastern mit mir herum! Habe ich drauf gemacht. Allerdings wurde dann aus dem Faultier ein Slow-Mo-Faultier, mit steifen Gliedmaßen, denn inzwischen hatte ich gemerkt, dass ich offenbar auch „Knie“ hab.

Mit letzter Energie erreiche ich die Stadt in der meine tolle PilgerApp eine bemerkenswert attraktive Herberge vorausgesagt hat. Zwischendurch treffe ich einen Pimpf, der Steppke fragt mich, wo ich her komme. Ich: „Pamplona“ – in der Hoffnung, bei dem Jungen etwas Bewunderung hervorzurufen. Was sagt der freche Kerl: „No es tan lejos.“ Nicht weit! Von wegen. Was weiß denn die heutige spanische Jugend! Nichts übers Pilgern! So was. Naja, dachte ich.

Wenige Meter bis zur Herberge. Kann mir doch egal sein, was der frühpubertierende Teenager da von sich gibt. Ich schleppe mich mit letzter Kraft zur Herberge, klingele. Puh, Glück gehabt, es geht jemand ran. „Tut mir leid, wir öffnen NÄCHSTE WOCHE!“ Tschüss. OK. So viel zum Thema Pilgerführer. In dem stand: ganzjährig geöffnet. Ich also weiter. Noch mehr. Quasi XXL-Slo-Mo-Faultier. Und mit einer ganz gedrückten Stimmung. Hach, die ganzen fröhlichen Pilger. Die können mich mal. Ich kann nicht mehr! Sch.. Idee. Ich habe komische Stellen, an denen wohl vom Frühstückstoastbrot Muskeln gewachsen sind. Und Knie.

Dann labert mich wieder so ein Typ an. Buenos tardes. He? Soll Buen Camino sagen, außerdem habe ich keine Lust auf Text. Also knurre ich ihn etwas an. So was wie: Ich fühle mich beschissen, ich bin müde und hungrig und habe Durst. Und außerdem brauche ich WiFi. Er sagt sehr charmant. Mir auch. Das hat ihn mir etwas sympatischer gemacht. Norman, Amerikaner, Farmer, und ebenso fußlahm wie ich, beschwerte sich, dass ihn auf diesen Weg, wegen seines amerikanischen Akzentes eh niemand verstehen würde. Worauf ich relativ relaxed: „Aber ich schon“, antworten konnte.

Schnell stellte ich fest, dass sein finsterschwarzer Humor dem meinem in dieser Situation gut entsprach. Und so gingen wir jammernd den Weg nach Punte la Reina gemeinsam. Immer in einer Situation, in der ich fast aufgeben wollte, hat mir der Weg etwas oder jemanden geschickt, der mir half, durchzuhalten. So wurden es 25 km. Das hätte ich nicht gedacht!